Dienstag, 15. Oktober 2013

Heimweh


Ja klar gehört das dazu. Und ich wusste auch, dass diese Phase kommen wird, aber es trifft einen dann doch so unerwartet und hart. Ich hatte schon viele Momente, wo ich dachte, ich würd jetzt gerne nach Hause, aber es ging mir nicht um Deutschland oder mein zu Hause, sondern eher immer um die Nähe zu meiner Familie. Jetzt ist es jedoch anders, ich fühl mich so, als würde ich innerlich zerreißen, wenn ich daran denke, wie lange ich noch hier bleiben muss. Ja, ich gebe es zu: ich bin verdammt deutsch, ich bin durch und durch deutsch. Ja, ich stehe total auf Sicherheitsabstand, feste Preise und Schwarzbrot. Ich hasse Kakerlaken, kalte Duschen und angestarrt werden.

Warum hab ausgerechnet ich mir in den Kopf gesetzt, Ersatzmutter und Lehrerin für Behinderte Kinder zu spielen? Habe ich mir erhofft, dass wenn ich abreise hier alles anders, besser ist? Wie soll das bitte gehen, wenn ich nicht ausgebildet bin, mit Autisten zu arbeiten? Wie soll ich bitte vernünftig unterrichten, wenn ich die Sprache nicht kann und das wenn ich was anfange, von den andern Lehrern keine Unterstützung erwarten kann? Was bringt das überhaupt, ein Jahr ins Ausland zu gehen, denken, man rettet die Welt um danach weiter zu machen wie bisher? Ich will einfach nicht mehr, ich habe keine Kraft mehr und dafür hasse ich mich. Ich meine, ich leiste keine körperliche Arbeit. In der Schule versuche ich die Kinder zweistellige Multiplikation und der Raupe Nimmersatt näher zu bringen und im BSSK  schleppe ich nur mein Lieblingskind herum, in der Hoffnung, dass er endlich mal anfängt zu reden. Ich leiste keine wertvolle Entwicklungshilfe, ich kläre niemanden über Umweltschutz oder Aids auf, ich baue keine Brunnen oder Häuser. Ich mache nichts, womit ich wirklich helfe. Und ich bin fertig, ich bin körperlich sowie auch geistig einfach müde. Und das frustriert mich ungemein.

Und diese Kultur werde ich eh niemals wirklich kennen lernen, die Einheimischen werden uns niemals vollends akzeptieren, wir werden tagtäglich wegen jeder Kleinigkeit knallhart verhandeln müssen und das nur, weil wir weiß sind. Heute wieder:  um Isas Geburtstag in unserem Lieblingsrestaurant zu feiern, versuchen wir eine Rikscha für die 3 Kilometer zu bekommen, aber es ist wie verhext: erst kommt gar keine und dann wollen die alle 40 Rupien! Nicht verhandelbar! Diese verdammte Strecke ist knapp 15 Rupien wert, aber wir Weißen haben das Geld ja. Wir können ja locker mehr als das Doppelte bezahlen. Natürlich werden wir immer mehr bezahlen müssen und wir haben ja auch mehr Geld als die meisten anderen Inder. Aber alles hat seine Grenze und das verstehen Die nicht. Wir sind immer die blöden, geizigen Schnepfen, obwohl wir einen Preis vorschlagen, bei dem sie mehr verdienen als beim Durchschnittskunden.

Ich will grad einfach nicht mehr. Ich will nach Hause in MEIN bequemes kuscheliges Bett zusammen mit meinem Kater, welcher auf meinem Bauch schnurrt, ich will nach Hause, wo ich von meiner kleinen Schwester genervt und geärgert werde, ich möchte mach Hause wo mir ständig gesagt wird, ich soll mein Zimmer aufräumen und meine Sachen nicht rumliegen lassen und ich möchte nach Hause, wo meine Eltern mich  in den Arm nehmen und einfach sagen: „Wir haben dich ganz doll lieb!“.

Ich hasse mich selber dafür, dass ich jetzt den Abend heulend auf dem Bett liegend verbringe anstatt Wäsche zu waschen oder zu putzen oder Geschirr zu spülen, was alles bitter notwendig ist.

 

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