Ja klar gehört das dazu. Und ich wusste auch, dass diese Phase
kommen wird, aber es trifft einen dann doch so unerwartet und hart. Ich hatte
schon viele Momente, wo ich dachte, ich würd jetzt gerne nach Hause, aber es
ging mir nicht um Deutschland oder mein zu Hause, sondern eher immer um die
Nähe zu meiner Familie. Jetzt ist es jedoch anders, ich fühl mich so, als würde
ich innerlich zerreißen, wenn ich daran denke, wie lange ich noch hier bleiben muss.
Ja, ich gebe es zu: ich bin verdammt deutsch, ich bin durch und durch deutsch.
Ja, ich stehe total auf Sicherheitsabstand, feste Preise und Schwarzbrot. Ich
hasse Kakerlaken, kalte Duschen und angestarrt werden.
Warum hab ausgerechnet ich mir in den Kopf gesetzt,
Ersatzmutter und Lehrerin für Behinderte Kinder zu spielen? Habe ich mir
erhofft, dass wenn ich abreise hier alles anders, besser ist? Wie soll das
bitte gehen, wenn ich nicht ausgebildet bin, mit Autisten zu arbeiten? Wie soll
ich bitte vernünftig unterrichten, wenn ich die Sprache nicht kann und das wenn
ich was anfange, von den andern Lehrern keine Unterstützung erwarten kann? Was
bringt das überhaupt, ein Jahr ins Ausland zu gehen, denken, man rettet die
Welt um danach weiter zu machen wie bisher? Ich will einfach nicht mehr, ich habe
keine Kraft mehr und dafür hasse ich mich. Ich meine, ich leiste keine körperliche
Arbeit. In der Schule versuche ich die Kinder zweistellige Multiplikation und
der Raupe Nimmersatt näher zu bringen und im BSSK schleppe ich nur mein Lieblingskind herum, in
der Hoffnung, dass er endlich mal anfängt zu reden. Ich leiste keine wertvolle Entwicklungshilfe,
ich kläre niemanden über Umweltschutz oder Aids auf, ich baue keine Brunnen
oder Häuser. Ich mache nichts, womit ich wirklich helfe. Und ich bin fertig,
ich bin körperlich sowie auch geistig einfach müde. Und das frustriert mich
ungemein.
Und diese Kultur werde ich eh niemals wirklich kennen
lernen, die Einheimischen werden uns niemals vollends akzeptieren, wir werden
tagtäglich wegen jeder Kleinigkeit knallhart verhandeln müssen und das nur, weil wir weiß sind. Heute
wieder: um Isas Geburtstag in unserem
Lieblingsrestaurant zu feiern, versuchen wir eine Rikscha für die 3 Kilometer zu
bekommen, aber es ist wie verhext: erst kommt gar keine und dann wollen die
alle 40 Rupien! Nicht verhandelbar! Diese verdammte Strecke ist knapp 15 Rupien
wert, aber wir Weißen haben das Geld ja. Wir können ja locker mehr als das
Doppelte bezahlen. Natürlich werden wir immer mehr bezahlen müssen und wir
haben ja auch mehr Geld als die meisten anderen Inder. Aber alles hat seine Grenze
und das verstehen Die nicht. Wir sind immer die blöden, geizigen
Schnepfen, obwohl wir einen Preis vorschlagen, bei dem sie mehr verdienen als
beim Durchschnittskunden.
Ich will grad einfach nicht mehr. Ich will nach Hause in
MEIN bequemes kuscheliges Bett zusammen mit meinem Kater, welcher auf meinem
Bauch schnurrt, ich will nach Hause, wo ich von meiner kleinen Schwester
genervt und geärgert werde, ich möchte mach Hause wo mir ständig gesagt wird, ich
soll mein Zimmer aufräumen und meine Sachen nicht rumliegen lassen und ich
möchte nach Hause, wo meine Eltern mich in den Arm nehmen und einfach sagen: „Wir
haben dich ganz doll lieb!“.
Ich hasse mich selber dafür, dass ich jetzt den Abend heulend
auf dem Bett liegend verbringe anstatt Wäsche zu waschen oder zu putzen oder
Geschirr zu spülen, was alles bitter notwendig ist.
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